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Sunday, May 6, 8 pm
Pirate Cinema Berlin
Tucholskystr 6, 2nd floor
Banlieue 13
Pierre Morel
2004, 81 min, 699 MB
Free entry
Cheap drinks
Copies to go
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Wenn am Sonntag gegen 20 Uhr Nicolas Sarkozy seinen Sieg bei den französischen
Präsidentschaftswahlen feiert, dann wird sich Luc Besson, Drehbuchautor und
Produzent von Banlieue 13, ziemlich ärgern, ihm die letztlich wahlentscheidende
Vokabel, la racaille, das Pack aus den Vorstädten, mit dem es aufzuräumen gilt,
schon ein Jahr vor jenen Riots, die Innenminister Sarkozy zum Anlass nahm, sich
als brutalstmögliche Antwort auf die soziale Frage präsidiabel zu machen, in den
Mund gelegt zu haben. Am Ende von Banlieue 13 nämlich sehen wir, im Jahr 2010,
einen französischen Innenminister, der verspricht, mit der Racaille aus den
Banlieues endgültig Schluss zu machen, ohne jedoch zu ahnen, dass er vor
laufender Kamera spricht, was ihm schliesslich zum Verhängnis wird - an diesem
Punkt ist Banlieue 13 dann doch zu sehr Mainstream-Film, um sich das Happy End
verkneifen, und nicht genug Science-Fiction-Film, um mit der Realität mithalten
zu können.
Dass Banlieue 13 Ende 2005 unser eindeutiger Lieblingsfilm zu den Riots in den
französischen Vorstädten wurde, liegt aber nicht allein daran, dass hier eine
offensichtlich an Nicolas Sarkozy angelehnte Figur als Arschloch kenntlich
gemacht wird, und eher als die Gangs, die die Banlieues regieren, die finsteren
Gestalten, die den französischen Staat kontrollieren, als racaille portraitiert
werden. Sondern vielmehr daran, dass Banlieue 13 als Action-, Martial-Arts-,
Extremsport- und Selbstverteidigungs-Film ein Bild von den Banlieues zeigt, das
aus dem stets entweder verleumderischen oder pseudosolidarischen Kitsch, der zu
diesem Sujet ansonsten produziert wird, ziemlich einsam herausragt - und zwar,
was selten ist, wirklich ein Bild, die tatsächliche bildliche Vorstellung einer
genauso abenteuerlichen wie konkreten Physik, die ein bestimmtes Verhältnis der
Körper der Leute zur gebauten Umwelt beschreibt, und für die es auch einen
präzisen Begriff gibt, nämlich parkour: der Name einer Technik, sich extrem
elegant durch extrem kaputte Vorstädte zu bewegen, die vor ungefähr zwei Jahren
kurz vor dem Durchbruch zur Trendsportart stand, es in kürzester Zeit vom
Underground-Clip <1> bis ins Madonna-Video <2> schaffte, und deren Einsatz in
Banlieue 13 <3> selbst bei berufsmässigen Fans des Action-Kinos aus Hollywood
einen bleibenden Eindruck hinterliess <4>.
"Mit einem Mal eröffnete sich uns die ganze Stadt. Wir brauchten nur zu schauen,
wir brauchten nur zu denken, wie Kinder." Schreibt nicht etwa Guy Debord in der
Theorie de la dérive, sondern Sébastien Foucan, der in der Eingangssequenz von
Casino Royale einen Terroristen spielt, der von James Bond über eine Baustelle
in Madagaskar gejagt wird, und der zusammen mit David Belle, dem Hauptdarsteller
aus Banlieue 13, als Erfinder von parkour gilt. Und das wäre tatsächlich die
Traditionslinie, die man ziehen müsste, um parkour auf den Punkt zu bringen:
dass es sich dabei nämlich, mehr noch als um bloss "Skaten ohne Skateboard", was
immerhin einen ungefähren Eindruck von der Art der Bewegung vermittelt, um eine
radikal verschärfte Form des situationistischen Umherschweifens handelt, und
zwar verschärft genau in dem Masse, in dem sich die Situation verschärft hat,
sowohl in der Architektur, in deren Geschichte die Banlieues der Nuller Jahre
die verneinende Antwort auf das Paris der Fünfziger darstellen, als auch im
Umgang mit dem Körper, wo die Techniken des Sports die der Drogen als sozial
wie ökonomisch zeitgemässere Mittel zur Herstellung physischer wie psychischer
Extremzustände weitgehend verdrängt haben. Als völlig unerwartete Fortsetzung
psychogeografischer Bewegungsformen unter Fitnessbedingungen wäre parkour dann
sogar eine dialektische Bewegung: der Moment, in dem die mit stadtplanerischen
Mitteln auf immer groteskere Weise kanalisierte Normalform sozialen Lebens und
physischer Erfahrung, auf ihre extremsportliche Spitze getrieben, wieder in
"eine Technik der schnellen Bewegung durch wechselndes Ambiente, die auf
spielerisch-konstruktivem Verhalten und psychogeographischem Bewusstsein beruht
und sich so von der Reise oder dem Spaziergang deutlich unterscheidet", schreibt
diesmal tatsächlich Guy Debord in der Theorie de la dérive, umschlägt. Eine
Technik allerdings, die vor allem die kriegerisch-sportlichen Aspekte suburbaner
Fortbewegung derart zuspitzt, dass sie sich, für dessen letzte Anhänger, wohl
vor allem vom Umherschweifen unterscheidet, und damit ziemlich präzise jenen
Generationswechsel markiert, der Ende 2005, während der Riots in den Banlieues,
überall dort sichtbar wurde, wo ehemals politische Milieus das zigtausendfache
Anzünden von Autos zwar nachvollziehen zu können glaubten, zugleich aber an der
vielleicht konkretesten politischen Artikulation seit den Barrikaden von 1968
ausgerechnet das Fehlen konkreter politischer Artikulation bemängelten. Weswegen
die bis heute einzige wirklich spielerisch und konstruktiv psychogeographische
Umsetzung des Banlieue-Themas im französischen Kino auch nicht im Autoren-,
sondern im Mainstream-Film stattgefunden hat.
Wobei das Attribut Mainstream ja ohnehin kaum noch etwas bedeutet - zumindest
nicht, dass Banlieue 13, mit dessen weltweitem Re-Release im November 2005 seine
geistigen Eigentümer in kürzester Zeit Millionen hätten verdienen können,
ausserhalb Frankreichs irgendwo auch nur halbwegs systematisch im Kino gelaufen
wäre. So dass die Vertriebsarbeit mal wieder an Unternehmungen wie der unseren,
die dort beginnen, wo das Kino aufhört, hängenbleibt, und in diesem Fall eine
ziemlich absurde Art von Überzeugungsarbeit notwendig macht: unserem Publikum
ausgerechnet eine Besson-Produktion als Geheimtip anzupreisen. So aber sind nun
mal die Zeiten.
Und schliesslich, falls sich das nicht von selbst versteht, zeigen wir Banlieue
13 natürlich ausgehend von der begründeten Annahme, dass das ein Programm mit
interessanterem Inhalt, spannenderem Verlauf und knapperem Ausgang wird als das
Duell zwischen Herrn Sarkozy und Frau Royal. Dennoch können wir vorher und/oder
nachher gern gemeinsam französisch fernsehen.
<1> http://youtube.com/watch?v=JEbYtOEftc0
<2> http://youtube.com/watch?v=KNJhxarPcN8
<3> http://youtube.com/watch?v=TPIw3cv8Zls
<4> http://www.villagevoice.com/screens/0638,ridley,74542,28.html
For the twin offenses of being French and not starring Tom Cruise, District
B13 - a fanboy mash-up of John Carpenter's greatest hits, brought to you by
the Luc Besson laboratories - is getting exiled to the art-house ghetto.
This delirious import was the most (maybe the only) fun action movie of the
summer-swift, funny, filled with actual stunts instead of digitized mayhem,
and primed at a moment's notice for megaton ass-kicking. Set in 2010 Paris,
it fuses Escape From New York's futuristic city-as-prison concept with
Assault on Precinct 13's bristling political subtext, as an undercover cop
and a convict (David Belle) battle their way through a walled-in underclass
banlieue searching for a massive "clean bomb." Belle - a master of parkour,
the French extreme sport-martial art devoted to the casual hurdling of
physical obstacles - brings an exhilarating athleticism to the many chases
and fights. I'd trade all of M:i:III's 126 minutes for one 1.7-second shot
of Belle hurtling himself in a single motion through a locked door's
transom.
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